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Kieler Woche zurück zu den Wurzeln


Um den Beginn der Kieler Wochen ranken sich zahlreiche Legenden: Einerseits wird die Begründung der Kieler Woche Hamburger Kaufleuten zugeschrieben, die sich mit ihren Segelyachten sportlich auf der Kieler Bucht gemessen haben. Anderseits soll die maritime Affinität des deutschen Kaiserhauses und der Wunsch, sich mit anderen Aristokraten ebenfalls in der Kieler Bucht in Wettfahrten messen zu wollen, zur Kieler Woche geführt haben.


Frau Dr. Sandra Scherreiks hat im Rahmen der Ausstellung „Kiel, Stadt des Segelsports“ anlässlich der 136. Kieler Woche die Ereignisse vor fast 140 Jahren historisch aufbereitet und schildert die Entstehung der Segelwettfahrten, die uns heute als Kieler Woche bekannt sind, wie folgt: „...Trotz über mehr als hundertjähriger Tradition ist der Segelsport in Deutschland im Vergleich mit Nationen wie Amerika oder Großbritannien eine jüngere Disziplin. Der Segelsport entwickelte sich in deutschen Ländern ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Selbstverständlich gab es zuvor neben dem berufsbedingten Segeln auch Seglerschaft aus Spaß und Freude. Zusammenschlüsse oder gar Vereine gab es anfangs jedoch nicht (1).(...) Die Organisation des Segelsports gewann besonders ab den 1880er Jahren an Aufschwung, woran die Kieler Segelbegeisterten einen nicht unerheblichen Anteil hatten (2). (...) Hier wurde anfänglich auf den Beibooten der Marineschiffe oder auf Segelschiffen der Berufsseeleute gesegelt. Die erste Freizeityacht auf der Förde war die 1875 von dem Kieler Bootsbauer Theede gebaute „Argo“ des Marine-Ingenieurs Gustav Sonntag. Im Jahr 1880 wurde der Marine-Ingenieur Hermann Saefkow von Danzig nach Kiel versetzt. Saefkow, Mitglied des Königsberger Seglerclubs „RHE“, brachte seine Yacht „Anna“ mit und versuchte, zusammen mit dem Marine-Ingenieur Carl Busley und dem Kapitänleutnant Lüder Arenhold, die Kieler „Spaßsegler“ zum Wettfahren, dem sogenannten Regattieren, zu animieren. Ihr Werben blieb nicht umsonst. (...) “.


Was daraus folgt, ist legendär: Diese Wettfahrt wurde von zwei Vorstandsmitgliedern des Norddeutschen Regattavereins aus Hamburg beobachtet, die sogleich in Kontakt mit den Kieler Seglern traten. Gemeinsam nutzte man den Winter, um die Wiederholung einer solchen Wettfahrt zu planen. Die bekannten Schiffseigner, die für ein solches Unternehmen in Frage kamen, wurden damals per persönlicher Einladung oder bei Hausbesuchen angeworben. Alle ließen sich überzeugen und so gingen am 23. Juli 1882 zwanzig Boote an den Start, die aus Dänemark, Kiel und Hamburg kamen.

In den darauffolgenden Jahren stieg die Zahl der aktiven Teilnehmer ständig und spätestens 1885, als der Bruder des späteren Kaisers, Prinz Heinrich, seine Gig „Nelly“ für die Regatta meldete, war das Stelldichein auf der Kieler Förde buchstäblich geadelt.“(3)


Beide Geschichten sind folglich richtig und so wurden die ersten Wettfahr- ten auf das Jahr 1882 datiert. Die zunächst namenlosen Regatten wurden jährlich wiederholt und zogen immer mehr Segler aus ganz Europa an. 1892 gingen bereits über 100 Boote an den Start. Zwei Jahre später tauchte in der Presse erstmals die Bezeichnung „Kieler Woche“ auf. Mit den Unterbrechungen in den Weltkriegen zelebrieren wir in diesem Jahr die 126. Kieler Woche im 138. Jahr.

Mit der Verlegung in den September und den Fokus auf den Segelsport geht die Kieler Woche 2020 damit gleich in zweifacher Hinsicht zurück zu ihren Wurzeln: Erst seit 1949 wird das Segelprogramm der Kieler Woche durch ein großes Fest an Land ergänzt. Zuvor wurde bereits in den Jahren 1947 und 1948 zusätzlich zur „KiWo“ eine „Septemberwoche“ mit kulturellen und gesellschaftspolitischen Veranstaltungen gefeiert. Nach der Zusammenführung von Segel- und Festwoche 1949 wurde immer im Juni die Kieler Woche als gemeinsames Segel- und Sommerfest gefeiert.

„Ab Anfang der 50er Jahre richteten immer mehr Klassen Deutsche Meisterschaften aus. Der Kieler Yacht-Club stieg 1953 mit der Wettfahrt um die ‚Marblehead-Trophy‘ der Drachenklasse und den nordeuropäischen Meisterschaften der Starboot-Klasse in die Regattaserien ein. Seitdem ist der Kieler Yacht-Club ebenso Organisator für Welt-, Europa-, Deutsche und regionale Meisterschaften als auch Initiator für neue Regattaformate.“ (Zitat Dr. Sandra Scherreiks)


Waren es nach dem Krieg eher die Skandinavischen Länder, die neben den deutschen Seglern an der Kieler Woche teilgenommen haben, hat sich spätestens im Zusammenhang mit der Ausrichtung der zweiten Olympischen Segelwettbewerbe 1972 die Kieler Woche zu einem Event mit Teilnehmern aus aller Welt etabliert und damit den Namen Kiel – Hauptstadt des Segelsports beziehungsweise Kiel – Sailing City begründet.


Der für die Olympischen Segelwettbewerbe gebaute Olympiahafen in Kiel-Schilksee ist seit dem Bau Ende der 60er Jahre noch heute die Basis für die Segelwettbewerbe der Kieler Woche. Während sich andere große Segelsport Veranstaltungen in Ländern wie Spanien oder Frankreich auf mehrere Häfen aufteilen müssen, kann in Kiel die Segelsportveranstaltung aus einem Hafen beziehungsweise einem Veranstaltungs-gelände ausgetragen werden. Das hat auch in diesem Jahr Vorteile, wenn aufgrund der Corana bedingten Reduzierung der kulturellen Veranstaltungen und des Sommerfestes, die Kieler Woche sich im wesentlichen im Olympiahafen abspielen wird.

Unter Nutzung der baulichen Rahmenbedingungen des ehemaligen Olympiageländes, wird es verschiedene Veranstaltungszonen geben, die nur den Teilnehmern der Segelwettbewerbe vorbehalten sind. Sicherheit und Einhaltung der bestehenden Verordnungen zur Eindämmung der Covid-19 Pandemie haben auch bei der Durchführung der Segelregatten die höchste Aufmerksamkeit.

Gab es in den letzten Jahren regelmäßig neue Teilnehmerrekorde zu vermelden, ist in diesem Jahr die Veranstaltungsgröße durch die bestehenden Corona Verordnungen begrenzt.


Die Organisatoren haben die Rahmenbedingungen in entsprechende Anzahl von teilnehmenden Booten beziehungsweise Trainern übersetzt. Durch die Absage fast aller großen Segelveranstaltungen in dieser Saison, kommt der Kieler Woche auch im Hinblick auf die um ein Jahr verschobenen Olympischen Spiele in Tokyo eine große Bedeutung zu. So erwarten die Ausrichter zahlreiche Teilnehmer in den verschiedenen Events aus mehr als 50 Nationen – In den Olympischen Bootsklassen fast die komplette Weltspitze mit den jeweiligen Top 10 der letzten Weltmeisterschaften und der letzten Olympischen Spiele von Rio. Einige Teilnehmer nehmen dazu Quarantäneaufenthalte und logistische Meisterleistungen auf sich, um nach Kiel zu gelangen.


Zur Begrüßung der Segelnden und Segelbegeisterten findet auch in diesem Jahr die traditionsreiche ‚Aalregatta‘ und somit der Auftakt der Kieler Woche, statt. Dieses Segelereignis ist offen für alle Dickschiffsegler und lässt die Boote zwischen Kiel und Eckernförde seit 1893 gegeneinander antreten. Sie ist folglich eine der ältesten Segelwettfahrten in Europa überhaupt.

Um den Kielern und auch den Segelsportbegeisterten in aller Welt die Kieler Woche näher zu bringen, berichtet auch in diesem Jahr das KielerWoche.TV

live und mit Hintergrundinformationen angereichert von den Segelwettbewerben vor Kiel. Dies vor fast 10 Jahren in Kiel entwickelte Format, wie auch die technischen Möglichkeiten aktuelle Daten von den Booten aus zu übertragen, ist gerade in diesem Jahr außerordentlich wichtig, um das Segeln der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.


Das Fokussieren auf den Ursprung der Kieler Woche und die Durchführung der Kieler Woche als verlässliche Größe des Segelsports werden Kiel gut tun und auch wichtige Impulse für die Zukunft setzen – auch besonders in eine Zeit ‚nach’ Corona.

‚Do it like in Kiel‘ ist ein nach den Olympischen Segelwettbewerben 1972 Kiel zugesprochenes Markenzeichen. Es beschreibt die Symbiose von dem Erhalt traditioneller Elemente auf der einen und der Einführung von Innovationen auf der anderen Seite, die den Segelsport weitergebracht haben.

Die Kieler Woche 2020 wird auch diesem Ruf einmal mehr gerecht werden.


Aktuelle Informationen über den Ablauf und die Veranstaltungen der Kieler Woche finden sie im Bereich der Pressemeldungen unter: www.kielerwoche.de/de/medien/meldung.php


Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung von Frau Dr. Sandra Scherreiks (Kuratorin Schifffahrtsmuseum, Kiel), Herrn Christoph Freitag (Stadtarchiv, Kiel), Herrn Sven Christensen und Herrn Dirk Ramhorst (beide KYC)


Fußnoten: 1 Vgl. Johannsen, Lasse/Tatjana Pokorny/Ulrike Schreiber: 125 Jahre Segelsport in Deutschland. Bielefeld 2013, S. 8. 2 Kramer, Klaus: Vom Gondelcorso zum Ocean-Race. Als Kaiser Wilhelm II. den Yachtsport nach Deutschland brachte. Eine Dokumentation zur deutschen

Yachtgeschichte 1815 – 1915. Schramberg 2002, S. 14-15 sowie S. 28 ff.

3 Vgl. Johannsen/Pokorny/Schreiber Bielefeld 2013, S. 14.

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