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Plietsche Erfindung – Platschend ins Wasser

Wann kann man bei einer Erfindung von Erfolg sprechen? Wenn sie banal geworden ist! Wenn sie sich so in den Alltag und im kollektiven Bewusstsein verankert, dass sie gar nicht mehr auffällt, gar deren Erfinder und ihre Geschichte in den Hintergrund treten. Oder wissen Sie zufällig, wer die Schwimmflügel erfunden hat?


Sie sind leuchtend orange, triangelförmig und in nahezu jeder Familie mit Kleinkindern zu finden. Die Rede ist von Schwimmflügeln, genauer gesagt dem Schwimmhilfen-Klassiker aus dem Hause Bema. Was für Eltern von Kindern im Schwimmlernalter heutzutage eine Selbstverständlichkeit für sicheren Wasserspaß ist, war bis 1964 noch nicht einmal erfunden.

Wer vor knapp 60 Jahren versucht hat, schwimmen zu lernen, bekam einen Gürtel aus Kork oder Gummi umgebunden – oder wurde einfach ins Wasser geschubst und probierte, nicht allzu schnell unterzugehen. Was zynisch klingt, war für Bernhard Markwitz bitterer Ernst. Der Kaufmann aus Winterhude liebte nicht nur das Schwimmen und war Mitglied der DLRG und schon als 17-Jähriger ausgebildeter Rettungsschwimmer, sondern rettete 1956 seiner damals dreijährigen Tochter Annette Rave im eigenen Gartenteich das Leben.


Nach dem Zweiten Weltkrieg kam Bernhard Markwitz aus dem damaligen Königsberg nach Hamburg, baute sich seine eigene Import-Export-Firma für Seifen und Spirituosen auf und schuf sich sein Familienglück in der Dorotheenstraße nahe der Außenalster. Eine Idylle, die beinahe zerstört wurde. Schon viele Familien zerstörte.

Der ausgebildete Rettungsschwimmer überlegte, was erforderlich wäre, um Kindern nicht nur das Schwimmenlernen zu erleichtern, sondern sie überhaupt über Wasser zu halten. Die bereits erwähnten Schwimm-Gürtel waren für ihn „Mordinstrumente“. Der fatale Fehler war für ihn der Umstand, dass durch sie nur der Po Auftrieb erhält. Wer Nichtschwimmer ist, gerät sehr schnell in Lebensgefahr, denn die menschliche Anatomie unterscheidet sich von der einer Boje oder Flaschenpost. Wird das Hinterteil, also der Körperschwerpunkt, angehoben, ist es extrem mühsam, Mund und Nase über der Wasseroberfläche zu halten.

Die Schwimmhilfe muss folglich höher am Körper angelegt werden. Markwitz‘ Idee also: Sie kommen an die Arme!. Für die ersten Experimente wickelt sich der angehende Tüftler Schläuche von Kinderrollern um die Arme. Das „Anbaden“ findet im Holthusenbad statt. Der Spott ist ihm schon bald sicher, doch mit jedem Platsch ins Wasser wird die Vision klarer. Doch ihm fehlt buchstäblich der Auftrieb. Dann hilft der Zufall Markwitz aus – nicht zum letzten Mal. Ein neuartiger Kunststoff feiert seinen Siegeszug in unterschiedlichen Verpackungs- und Produktionsbereichen: PVC. Im Gegensatz zu Gummi ist die Tragfähigkeit um ein Vielfaches erhöht. Dann folgen die nächsten Probleme. Die konzipierten Schläuche drücken die Blutversorgung ab und scheuern. Außerdem gibt es ein großes Sicherheitsproblem: Was tun, wenn das Ventil sich öffnet und der Reifen seine Luft verliert? Zudem ist die Bewegungsfreiheit durch die drei Wülste am Arm deutlich eingeschränkt.

Markwitz folgt seiner Vision und findet auch für dieses Hemmnis eine Lösung: Er integriert eine flache Seite an der Unterseite, die den Arm vor dem Blutstau schützt und der Schwimmhilfe die heute unverkennbare Triangelform gibt, installiert zwei unabhängige Luftkammern und rundet die scharfen Kanten ab. Ganz schön patent, aber wie sieht’s mit dem Patent aus? Dafür braucht es Geld. Geld, das er nicht hat. Was tut man also, wenn man liquide sein möchte, um sein neuestes Produkt vermarkten zu können? Genau, man spielt Lotto. Einige Richtige und tatsächlich 250.000 Deutsche Mark später meldet Bernhard Markwitz die Schwimmhilfe am 24. Oktober 1964 beim Deutschen Patentamt an.

Drei Jahre später erhält er die Patenturkunde. Aktenzeichen M 62878 / XI 65b, für einen „aufblasbaren Oberarm-Schwimmring, der „unverrückbar fest am Arm sitzt und dennoch die Blutzirkulation in keiner Weise behindert“.

Auf den Begriff „Schwimmflügel“ kommt der Hamburger Tüftler, als seine kleine Tochter mit den orangefarbenen Gummikissen an den Oberarmen vor ihm steht und er bemerkt, dass sie „...wie kleine Flügel" aussahen. Heute ist der Begriff „Schwimmflügel" genauso weltweit bekannt wie das deutsche Wort „Kindergarten" oder „Autobahn".

Der Begriff „Schwimmflügel“ fällt hier noch nicht; auf den kommt er erst später, als er seine Tochter Annette mit den Schwimmkissen an den Armen beobachtet und diese wie kleine Flügel für ihn aussahen. Doch von einer Signalfarbe war bereits die Rede. Zwar noch nicht das knallige Orange, aber eine „Leuchtfarbe ... was den Wert des Schwimmringes für Lehr- und Rettungszwecke zu erhöhen vermag“.

Der Markenname ist eine Schöpfung von Bernhard Markwitz‘ damals elfjährigem Sohn. Anlehnung an die Kurzformel anderer Unternehmen findend wie Adidas (Adolf Dassler), verschmelzen Vor- und Nachname des Erfinders zu Bema.

Schwimmflügel von Bema sind bis heute ein Bestseller – und zwar rund um den Globus. Bis in 90er-Jahre hinein sollen sie sich über 150 Millionen Mal verkauft haben. Später kaufte ein Bremer Unternehmen die Rechte.


Das Sortiment umfasst heute Schwimmflügel, Schwimmwesten, Schwimmsitze, Gürtel, Surfer und Schwimmnudeln aus unterschiedlichen Materialien, darunter auch Neopren. Diese so verschiedenartigen Schwimmhilfen richten sich an Wasserratten jeden Alters, vom Baby bis zum dreizehnjährigen Kind.

Was bis heute und wahrscheinlich die nächsten Jahrzehnte bleiben wird, ist das Vermächtnis von Bernhard Markwitz, ohne dass viele Menschen seinen Namen kennen. Eine Design-Ikone, die nicht als Design-Ikone gesehen wird, da das Produkt zu banal ist. Der Schöpfer, der hinter sein Produkt getreten ist, damit ganze Generationen von Kindern ohne Angst ins Wasser gehen können. Seine Erfindung ist günstig, in Massen hergestellt und hat gerade deshalb einen Wert, den man nicht hoch genug einschätzen kann.

www.bema-schwimmfluegel.de

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