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Maren Jaenisch – die Polsterista

Polstern – aber natürlich!

Einmal mehr folgten wir einer freundlichen Einladung und besuchten die gebürtige Eutinerin Maren Jaenisch in ihrer Werkstatt in Fiefbergen, bei Kiel. Hier lebt und arbeitet die Polsterista. Ihren Namen entwickelte sie in einem Wortspiel. Denn genauso wie der Barista auf höchstem Niveau Kaffee zubereitet, genauso restauriert sie leidenschaftlich und mit hohem gestalterischem und handwerklichem Anspruch die ihr anvertrauten Möbel.


Dass der Weg zum Handwerk nicht immer ein direkter ist, das zeigt auch die Biografie von Maren Jaenisch. „Ursprünglich bin ich nach Kiel gekommen, um Kunstgeschichte und Archäologie zu studieren. Das war 1992.“ erzählt uns die heute 52-jährige. In den Jahren ihres Studiums absolvierte sie diverse Praktika und Assistenzen – vorrangig bei Foto- und Film-Produktionen, wo sie eigentlich auch ihre berufliche Zukunft sah.


Aber das Leben wollte es anders, denn mit der Geburt ihres ersten Kindes entschied sich die junge Studentin für eine Umschulung zur Raumausstatterin. „Früher nannte man diesen Beruf auch „Tapissier“, bzw. Tapezierer*in. Ein Wort, das eigentlich viel besser beschreibt, was hinter diesem schönen viergeteilten Handwerk steckt, nämlich das Beziehen von Wänden und Böden, Fenstern und Möbeln, um so einen ganzen Raum ausstatten zu können.“


Aufgewachsen in einem ehemaligen Dorfkrug an der Ostsee habe sie früh eine Liebe zu Geschichte und Objekten, die Geschichten erzählen, entwickelt. Das traditionelle Polstern habe sie daher bald besonders fasziniert. Es geht ihr um die Bewahrung und Modernisierung über die Jahre abgenutzter Lieblingsstücke.


Nach Ihrer Rückkehr nach Kiel kombinierte sie für einige Jahre eine Anstellung im „Werkforum“ mit nebenberuflichen Projekten; Ausstattungen für Events und Einrichtungen, LowBudget-Filme und Polsteraufträge.


Es folgten zwei weitere Kinder. Schließlich eröffnete sie 2011 gemeinsam mit ihrem damaligen Mann, einem Tischlermeister, den Laden „Stattfein“ am Kleinen Kuhberg in Kiel. Die unter Rigipsplatten und Tapeten versteckten außergewöhnlichen Räume einer alten Gastwirtschaft hat das kreative Paar aufwendig restauriert und eine inspirierende Fläche für Interiordesign aus vergangenen Zeiten geschaffen. „Das waren vier sehr schöne Jahre. Es war ein Salon, den ich immer wieder umgestalten konnte, und in dem es viele besondere Begegnungen mit tollen Menschen gab“, betont Maren mit einem Lächeln. Als Polsterista arbeitet sie mittlerweile in ihrer kleinen Werkstatt in der Probstei eng mit ihren Auftraggeber*innen zusammen.


Wenn es um die Art und Weise des Polsterns geht, zählen die traditionellen Materialien wie Palmfaser, Seegras, Schafswolle und Rosshaar zu ihren bevorzugten Werkstoffen. „Ich polstere zwar auch mal mit Schaumstoff, berate aber lieber hinzu den klassischen Materialien oder auch alternativ zu neueren nachhaltigeren Produkten wie Kokosfaserplatten und anderen natürlichen Werkstoffen.“


Bei der Wahl des Stoffes greift die Polsterista gerne nach den Muster-Katalogen des Herstellers Romo. Eine Kollektion des englischen Textilproduzenten besteht ausschließlich aus recycelten Stoffen der Modeindustrie. Diese verwendet die Polsterista vorzugsweise – alles mit Blick auf Nachhaltigkeit in ihrem Handwerk.

Am Ende des gemeinsamen Prozesses mit ihren Auftraggeber*innen steht ein einzigartiges Sitzmöbel, eigens für den „Besitzer“ oder die „Besitzerin“ angefertigt.


2021 gründete Maren Jaenisch das Kieler Zimmer. Ein Netzwerk aus Handwerker*innen und Designer*innen aus dem Einrichtungsbereich – insgesamt 20 unterschiedliche Unternehmen, jedes mit seiner ganz eigenen Handschrift. Gerade im Zusammenwirken entsteht hier ein gemeinsamer, leichter nordischer Stil. Bis Ende Dezember ist die Ausstellung des Kieler Zimmers – Einrichtung erdacht und gemacht in Kiel – noch im Foyer der Kieler Nachrichten zu entdecken oder online auf der gemeinsamen Homepage www.kieler-zimmer.de!


Die Polsterista 2.0


In naher Zukunft soll es zurück in die Stadt gehen, in eine größere Werkstatt, in der Maren Jaenisch selber Auftragsarbeiten entgegennehmen aber auch Polster-Workshops geben kann. „Und hier schließt sich dann auch der Kreis zu meinem selbsterdachten Berufsnamen. Denn genauso wie es Barista-Schulungen gibt, so wird es auch bald Polsterista Workshops geben. Denn jede/r kann Polsterista werden,“ erklärt

uns die sympathische Handwerkerin, „und Nachfrage gibt es bereits, nun suche ich nur noch die passenden Räume.“


„Zum einen gibt es nur noch sehr wenige Raumausstatter-Betriebe die wirklich Polstern. So entdeckt man beispielsweise ein Möbel auf dem Flohmarkt oder beim Trödler, findet aber niemanden, der einem das gute, alte Stück polstern kann. Viele kaufen sich dann irgendeinen Stoff und ziehen ihn über den alten. Der ganze alte Schaumstoffkern verbleibt dann im Möbel, was sich nicht nur auf das Raumklima negativ auswirkt.


Irgendwann fängt es an zu wackeln und schließlich wandert das Stück in den Keller, auf den Boden oder auf den Sperrmüll und wird nicht mehr genutzt, was eigentlich sehr schade ist. “In den Kursen möchte Maren dann Interessierte in Materialkunde schulen, unterschiedliche Techniken vermittelnund gemeinsam mit den Teilnehmenden die Gestaltungsmöglichkeiten ihrer mit- gebrachten Möbel erarbeiten. Parallel dazu soll es auch den Bereich Holzbearbeitung bzw. -aufarbeitung geben, indem die (Sitz-) Möbel neu verleimt und aufgearbeitet werden. „Es gibt viele Menschen, die wieder Gefallen daran finden, etwas Handwerkliches zu gestalten.“


Die umtriebige Handwerkerin hat einen noch größeren Traum. „Die Idee ist es,eine „Werk-Stadt“ zu schaffen, in der ich – gemeinsam mit anderen Handwerker*innen – ein übergreifendes Workshop-Konzept entwickele und anbiete.“ In dieser „Werk-Stadt“ soll ein Verbund von Handwerker*innen praktizieren, die Hand in Hand die gebündelten Kenntnisse und entsprechenden Fertigkeiten weitergeben. Es geht also auch um Wissenstransfer und den Erhalt des „vom Aussterben“ bedrohten traditionellen Handwerks.


Der Polsterista geht es nicht ausschliesslich um das Handwerk. Maren Jaenisch möchte gestalterische und nachhaltige Aspekte vermitteln – in Bezug auf einzelne Möbelstücke, aber auch auf Räume, in denen es sich gut leben lässt.

Sie wünscht sich auch für Schleswig-Holstein die gewerkübergreifende Fortbildung zur/m »Gestalter*in im Handwerk«, die leider nur in wenigen Bundesländern Deutschlands angeboten wird. In diesen Werkkunstschulen lernt man zunächst das Material und die Techniken kennen und dann arbeitet man frei! Ein Gedanke, dessen Ursprung im Bauhaus zu finden ist. So entstanden auch die vielen Designklassiker, die wir heute lieben und wertschätzen.

Die besondere Qualität dieser staatlich anerkannten Fortbildung ist das gewerkübergreifende Lernen. In einem einzigartigen Umfeld treffen Tischler, Raumausstatter, Metallbauer, Werbetechniker, Maler und Lackierer und andere handwerkliche Berufe aufeinander. Ob Geselle oder Meister, sie alle studieren miteinander und lernen voneinander! Sie entwerfen handwerkliche Produkte, gestalten Projekte und Dienstleistungen und professionalisieren ihre Kreativität. Schrittweise erlernen die Teilnehmenden konzeptionell zu arbeiten, um schließlich ihre Ideen überzeugend darzu- stellen und zu präsentieren. Ihr handwerkliches Können verzahnt sich schließlich mit ihrer Fähigkeit zu gestalten.


Zum Ende unseres Gesprächs ergänzt die Polsterista Maren Jaenisch einen wichtigen Aspekt: „Industriell gefertigte Möbel werden immer nach einem gewissen Standard produziert.


Die aufgepolsterten Sitzmöbel hingegen sind individuell auf die „Besitzer*innen“ in Sitzhöhe und Neigung angepasst, vergleichbar mit einem maßgefertigten Kleidungsstück, das uns im wahrsten Sinne des Wortes auf den Leib geschnitten ist.“

Es gibt die Dinge, von denen möchten wir uns einfach nicht trennen – ganz egal, in welchem Zustand sie sich befinden. Und gerade alte Gebrauchsmöbel sind manchmal echte Weggefährten, die auch mit schönen Erinnerungen verbunden sind und uns das Gefühl geben, (unsere eigene) Geschichte in die Gegenwart mitzunehmen und fortleben zu lassen.


 

Maren Jaenisch

Am Dorfteich 15 a • 24217 Fiefbergen

Tel.: 0151 - 28 933 038

Instagram: @polsterista






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