top of page
  • AutorenbildJO.

Vorgeschmack für Kiels glühende Open-Air-Fans

Aktualisiert: 7. Mai 2019

Fast haushohe Tribünen unter freiem Himmel. Gespannte Zuschauer, die allen Elementen trotzen. Kreativ konzipierte Bühnenbilder in einer atemberaubenden Stadtkulisse. Ein maximales Zusammenspiel von Musikern, Sängern, Tänzern und Dirigent. Was wäre Kiel ohne die alljährliche Magie, die von der Sommeroper ausgeht? In diesem Jahr dürfen sich alle Opernfreunde und die, die es noch werden möchten, auf Giuseppe Verdis AIDA freuen. JO. konnte die Premiere nicht abwarten und hat schon einmal hinter die Kulissen geblickt.

Tosca-Foto von Thomas Eisenkrätzer

Nach Shakespeares „Was Ihr Wollt“, dem fulminanten Sommertheaterspektakel im letzten Jahr auf dem Holtenauer MFG-5-Gelände, erwartet Kiel folgerichtig in diesem Sommer wieder eine Freilichtoper auf dem Rathausplatz. Die Wahl fiel auf AIDA, die wohl meistgespielte Oper von Guiseppe Verdi. „AIDA ist das Außenspielstück schlechthin“, erklärt Generalintendant Daniel Karasek. „Das ist deshalb so interessant, weil es gleichzeitig auch ein sehr intimes Stück ist. Die mit AIDA häufig assoziierten Massenszenen, wie zum Beispiel den Triumphmarsch, kann man auf einer Freilichtbühne natürlich noch viel besser auskosten, als drinnen. Und gleichzeitig erzeugen die romantischen, tragischen Szenen, die vor allem im dritten und vierten Akt, also in der Dämmerung, stattfinden, durch eine eindrucksvolle Beleuchtung eine sehr intime Stimmung.“ Damit spielt Daniel Karasek auch auf die Erfahrungen aus der Sommeroper 2012 an, als mit Puccinis „Tosca“ ein ähnlich intimes Stück unter freiem Himmel erfolgreich war.


Schauplatz der Oper ist Ägypten zur Zeit der Pharaonen. In der Titelfigur Aida, der äthiopischen Königstochter, bündeln sich zahlreiche Konflikte. Sie muss in der Fremde unter falscher Identität leben, da sie als Geisel nach Ägypten verschleppt worden ist. Dort lebt sie als Sklavin von Amneris, der Tochter des ägyptischen Pharaos. Unglücklicherweise verliebt sich Aida jedoch in den gegnerischen Feldherrn Radamès, der allerdings Amneris, der Tochter des Pharaos, versprochen ist und sich nun zwischen seiner Liebe zu Aida und der Loyalität seinem Pharao gegenüber entscheiden muss. Aidas Schicksal wiegt zusätzlich schwer, da sie von ihrem eigenen Vater, Äthiopiens König Amonasro, unterdrückt wird, das eigene Volk durch eine List zu befreien. Auf Aida lastet also unsagbar viel. Die Liebe zwischen Aida und Radamès wird also von gleich zwei Seiten bedroht: in persönlicher Sicht durch Amneris und vor dem militärischen Hintergrund durch die Feindschaft ihrer beiden Nationen. Das Theater Kiel fasst dieses Szenario selbst am treffendsten zusammen: „‘Aida‘, das heißt Blockbuster-Kino im Opernformat. Rasende Leidenschaft trifft auf brutale Politik, faszinierende Historie auf menschliches Drama, spektakuläres Musiktheater auf mitreißende Ohrwürmer.“


Als wäre diese dramatische Handlung nicht schon Stoff genug, kann die diesjährige Sommeroper mit weiteren Besonderheiten aufwarten. AIDA wird das Debut von Benjamin Reiners sein, der ab der kommenden Spielzeit sein Amt als Generalmusikdirektor aufnehmen und seine erste Oper in Kiel dirigieren wird. „Ich bin ein glühender Open-Air-Fan. Atmosphärisch sind Opern unter freiem Himmel kaum zu vergleichen“, schwärmt Benjamin Reiners, dessen Umzug von Mannheim nach Kiel unmittelbar bevorsteht. Kein Zweifel, wer so für die Freilichtoper brennt wie wir, dem stehen unsere Tore offen. Wie passend, dass wir ihm also nicht nur einen neuen Schaffenskreis bereitstellen, sondern gleichzeitig auch einen großen Wunsch erfüllen. „Aida ist eines meiner absoluten Herzenswunschstücke und stand ganz oben auf meiner Wunschliste. Verdi spielte schon immer eine große Rolle in meiner Karriere, nur Aida fehlte noch.“ Auch ihn fesseln die ergreifenden, emotionalen Passagen ebenso wie die großen Massenszenen. Für sein erstes Dirigat in Kiel ist AIDA also wie geschaffen. Dass Benjamin Reiners in diesem Mai mit Verdis „Don Carlos“ am Nationaltheater Mannheim aufhört, um mit AIDA in Kiel zu beginnen, ist besonders deshalb interessant, da beide Stücke in derselben chronologischen Reihenfolge aus Verdis Feder flossen.


Auf ein weiteres Novum, das die diesjährige Sommeroper mit sich bringt, ist man am Theater besonders stolz. Die Ballettsequenz, die Verdi in das Stück eingeschrieben hat, wird anders als in vielen modernen Aufführungen mit in die Kieler Inszenierung aufgenommen. Was für die Pariser Oper damals als klassische Zutat galt, ist heute aus pragmatischen und finanziellen Gründen selten Teil des Stücks.


„Am Theater Kiel haben wir das große Glück, zur Verfügung stehen zu haben, was wir benötigen, um die Ballettsequenz zu integrieren“, berichtet Daniel Karasek stolz. Damit meint er Ballettdirektor Yaroslav Ivanenko und seine gesamte Company. Die etwa achtminütige Ballettsequenz wird von ihm choreografiert und von den 18 bis 20 Tänzern auf der Bühne umgesetzt. Yaroslav Ivanenko, der bereits mehrfach mit Daniel Karasek zusammengearbeitet hat, geht von einer „spannenden Inszenierung“ aus. „Ich persönlich mag Verdis Musik sehr und habe bereits einige Erfahrungen mit Tanz zu seiner Musik machen können, etwa 2015 bei der Open-Air-Inszenierung von ‚Nabucco‘ oder bei meiner Choreografie zu Verdis ‚Requiem‘.“ Worin sich der Generalintendant und der Ballettdirektor außerdem einig sind, ist ihre Zuversicht gegenüber den Herausforderungen, die die Freilichtoper mit sich bringt. „Natürlich können Wind und Wetter unseren Sängern und Tänzern Schwierigkeiten bereiten.

Wir sind ja hier nicht in Italien, sondern bei uns kann es ja auch im Sommer schon ab 20.30 Uhr sehr kalt und feucht werden.


Das ist dann nicht nur für das Publikum unangenehm, sondern auch für die Tänzer“, so der Chefchoreograf. Allerdings, beruhigt Karasek, biete der Rathausplatz mit seinen hohen Mauern von drei Seiten sehr guten klimatischen Schutz. „Warm angezogen und mit Regencapes den Wetterbedingungen trotzend, das mochten unsere Zuschauer bisher immer, sogar bei den winterlichen Zuständen bei Romeo und Julia. Das vereint die Darsteller, Musiker und das Publikum schließlich und gehört zur Sommerbespielung einfach dazu“, fasst Karasek dieses kleine, fast schon romantische Risikogefühl zusammen. Mit der Integration der Ballettcompany und den großen Massenszenen erwarten die Zuschauer übrigens ein weiteres Highlight. Daniel Karasek kribbelt es zum Beispiel deshalb besonders in den Fingern, weil er bei AIDA über 250 Menschen auf der Bühne bewegt. Mit dem Opernchor und Extrachor des Theaters Kiel, den Orchestermusikern, den Opernsängern und Balletttänzern kommt diese Zahl zwar schnell zusammen, ist allerdings nicht weniger beeindruckend und schürt die Vorfreude auf ein fulminantes Opernerlebnis, und das unter freiem Himmel.


Eine weitere Premiere, die in diesem Jahr hinzukommt, ist die Tatsache, dass das Catering zu den Vorstellungen neu besetzt worden ist. Mit der Lille Brauerei, John’s Burger und Moby, soll auch das junge, unternehmerische Kiel begeistert werden. „Es hat sich viel getan, seitdem ich meine Arbeit in Kiel aufgenommen habe. All diese und ähnliche Unternehmer sind mit Leidenschaft Kieler. Es entsteht ein neues Selbstbewusstsein unter den Kielern, das zu Recht großstädtisch wirkt. Das kann sich Kiel gut erlauben“, sagt Daniel Karasek stolz. Finden wir auch und freuen uns auf die AIDA-Premiere am 24. August, sowie auf alle weiteren sieben Vorstellungen bis zum 1. September, die die Sommeroper wie immer auch dank des Public Viewings einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen.



Reinhard Linden wurde 1957 in Ingelheim am Rhein geboren, ist studierter Kirchenmusiker und ausgebildeter Dirigent. Nach seinem Wirken an den Opernhäusern in Mailand, Rom, Paris, New York und Wien kehrte er 1989 an deutsche Bühnen zurück. Seine umfangreiche Erfahrung im Bereich des internationalen Sängermarktes erwarb er sich im Agenturbereich, wo er als Sängeragent beschäftigt war. Für das Opernhaus Kiel verließ er Taiwan, wo er zwei Jahre am „National Chiang Kai-Shek Cultural Center” in Taipei als Studienleiter und Musikalischer Berater engagiert war.


Herr Linden, als Operndirektor gelten Sie als der „Herr über die Stimmen“. Auf welche Gesangstalente dürfen sich die Zuschauer freuen? Sind bereits alle Rollen besetzt? „Die wichtigste Stimme ist natürlich die Aida, da haben wir jetzt Veronika Dzhioeva gefunden. Das wird ein Deutschlanddebüt. Sie singt die Rolle augenblicklich in Helsinki und später in Zürich! Cristina Melis wird unsere Amneris sein, sie hat die Rolle ebenso wie unser Amonasro Stefano Meo schon in den großen Opernhäusern Italiens, in Bologna und in Neapel gesungen. Radames wird Sung Kyu Park sein, der nach seinem Debüt an der Royal Opera in London als Calaf zurückkehrt an die Förde. Thorsten Grümbel, auch er zuhause an den großen Opernhäusern in München, Zürich und Düsseldorf, wird den Ramfis interpretieren.“


Sie haben Kiel einmal liebevoll das „Klein-Verona“ genannt. Was, denken Sie, macht den Reiz dieser Spielstätte für Opernsänger aus? „‘Klein-Verona‘ gibt seit Jahren den größten Talenten die Möglichkeit die wichtigsten Partien zu debütieren – eine Gelegenheit, die ‚Groß-Verona‘ nicht bietet. Denken Sie an das Deutschlanddebüt von Anna Pirozzi als Magdalena/Andrea Chenier oder in der gleichen Oper das Debüt von Gevorg Hakobyan oder auch das Rigolettodebüt von Enkhbat Amartuvshin. Diese Künstler singen heute in den größten Opernhäusern der Welt!“


Sie haben unter anderem in Rom, Mailand, New York, Wien und zuletzt in Taipei gearbeitet. Was hat sie an das Opernhaus Kiel verschlagen? „Gleich bei den ersten Gesprächen wurde klar, dass in Kiel fantastische künstlerische Ergebnisse in konstruktiver Zusammenarbeit mit Theaterleitung und allen Mitarbeitern erreicht werden können. Das war es, was Kiel so interessant für mich machte. Tolle Ergebnisse haben wir schon erzielt, viel Neues gibt es noch zu entdecken!“


Im Blick: Cordula Engelbert Chefdramaturgin Musiktheater

Foto: Theater Kiel

Die gebürtige Hamburgerin Cordula Engelbert ist seit der Spielzeit 2008/09 Chefdramaturgin des Musiktheaters. Sie lebt und arbeitet zum zweiten Mal in Kiel, denn der damalige Intendant Peter Dannenberg hatte sie bereits zwischen 1992 und 1995 als Leitende Musikdramaturgin engagiert.


Seit 2008 ist Cordula Engelbert als Chefdramaturgin im Amt. In enger Abstimmung mit Generalintendant Daniel Karasek, Operndirektor Reinhard Linden und dem neuen Generalmusikdirektor Benjamin Reiners gestaltet sie unter anderem das Programm der Spielzeit. Als Chefdramaturgin ist sie die Schnittstelle zwischen Bühne und Zuschauer, indem sie die mündliche und schriftliche Kommunikation zwischen diesen beiden Instanzen übernimmt. Aber auch Werbung und Öffentlichkeitsarbeit, sofern sie das Schreiben und Zusammenstellen von Programmheften, Flyern und Leporellos betrifft, fallen in ihr Tätigkeitsfeld.


In diesem Jahr ist die Wahl für das Sommertheater auf die wohl bekannteste Oper Verdis gefallen. Dies lag, so Cordula Engelbert, zum Großteil auch an dem hohen Bekanntheitsgrad von AIDA, „denn eine Freilichtaufführung ist kein angemessener Rahmen für die Ausgrabung einer unbekannten Oper. Möglichst viele Menschen sollen mit dem Operntitel etwas verbinden – und sei es auch ‚nur‘ den Triumphmarsch. Neben den Opernliebhabern lockt AIDA hoffentlich auch diejenigen an, die nicht zu den regelmäßigen Opernbesuchern gehören.“


Neben der Tatsache, dass bei der diesjährigen Inszenierung erstmals der neue Generalmusikdirektor Benjamin Reiners in Erscheinung tritt, gibt es ein weiteres Novum. „Zum ersten Mal wirkt auch unser Ballett in der Sommeroper mit. Daher werden wir auch die Ballettmusik spielen, die in anderen Aufführungen häufig gestrichen wird“, erklärt Cordula Engelbert die Besonderheiten des Sommertheaters 2019.

Was ab dem 24. August auf dem Kieler Rathausplatz aufgeführt wird, ist eine Freilichtoper in einer einzigartigen Atmosphäre. Cordula Engelbert blickt zu Recht vorfreudig auf den Sommer: „Ich empfinde die Sommeroper als ein großes Zueinanderfinden unter dem Dach der Musik. Das gilt gleichermaßen für das Publikum und für die Kollegen und umfasst auch die Zaungäste, die außerhalb des Bühnen- und Zuschauerbereiches zuhören.“


Aus Ihrer Feder - Janina Wilkens

Unter dem Dach des Kieler Theaters kommen die verschiedensten Talente zusammen. Doch neben starken Stimmen, überzeugenden Schauspielern, kreativen Musikern und begabten Tänzern schlummert fernab von der Bühne die schöpferische Begabung von Janina Wilkens. Sie ist am Theater für Kommunikationsdesign und Marketing zuständig und hat das Plakat zur diesjährigen Sommeroper entworfen.


Das AIDA-Plakatdesign wirkt modern, puristisch und geometrisch. „Da Ägypten der Schauplatz der Handlung ist, habe ich natürlich gleich an die ägyptischen Pyramiden gedacht und begonnen mit dreieckigen Formen zu experimentieren.


Ich wollte außerdem gern weitere Merkmale der Landschaft mit einbeziehen, wie den Nil, die Wüste und die Sonne beziehungsweise den Mond. Mein Ziel war außerdem, die einzigartige nächtliche Sommeroper-Atmosphäre sichtbar zu machen“, beschreibt Janina Wilkens ihre ersten grafischen Assoziationen mit AIDA. „Mir war wichtig, dass am Ende alles zusammenpasst und das Motiv mit der Inszenierung harmoniert. Daher habe ich mir nach einem Gespräch mit den Dramaturgen das Bühnenbildmodell von Lars Peter angeschaut. Dabei wurde dann schnell klar, dass es in eine moderne, abstrakte und geometrische Richtung gehen soll.“


Der Entwurf eines solchen Plakates ist durchaus mit einer großen Verantwortung verbunden, bedenkt man die Reichweite und Wirksamkeit, die es erzielen soll. Es soll nicht nur dem Stück gerecht werden, sondern auch Lust auf Mehr machen und eine ganz eigene, für die Kieler Sommeroper stehende Interpretation darstellen. Dieser Herausforderung ist Janina Wilkens mit ihrer Arbeit gerecht geworden. „Die größte Aufgabe war es, das Thema ‚Ägypten‘ visuell zu transportieren, ohne dabei gängige Klischees zu bedienen und gleichzeitig eine breite Zielgruppe, also auch jüngere Menschen, zu erreichen. Das Plakat sollte keine kitschige Zusammenstellung aus Hieroglyphen, Büsten und goldenen Pharaonenmasken werden. Also habe ich auf diese Elemente verzichtet und stattdessen einfache geometrische Formen mit natürlichen Texturen, wie zum Beispiel Wüstenboden, und einer modernen Typografie kombiniert.“ Simpel und gleichzeitig anspruchsvoll – dieser Spagat ist Janina Wilkens gelungen.


0 Kommentare
bottom of page