Während andere in die Rente gehen, ist er noch im vollem Einsatz: Hilmar Keppler führt mit seinen 76 Jahren eine kleine Privatpraxis am Schulensee und weiß, dass eine wahre Berufung nicht ab einer bestimmten Altersgrenze endet.
„Erst im April 2020 hat Hilmar die neue Praxis hier bezogen.“, erzählt Susanne Keppler, die Ehefrau des Arztes, als sie uns in den Räumlichkeiten in der Hamburger Chaussee 339 begrüßt. Als Raumgestalterin hat sie persönlich natürlich die Einrichtung und Dekoration der Praxisräume über- nommen. Farblich dominiert ein frischer Türkiston, der sich in Stühlen und Kissen im Wartebereich wieder findet. „Da die Räume nicht sehr groß sind und es ja auch zu meinem Mann passen muss, sollte die Raumgestaltung nicht zu ausgeflippt werden. So habe ich mich für die frischen Farbtöne in Kombination mit Kontrasten entschieden.“, erklärt Susanne ihren Expertenblick für das Interieur und streicht mit der Hand über einen Samtkissen. „Der Stoff erzeugt einen stimmigen Materialmix zum Sofa mit Lederbezug.“ Auch wenn der Warteraum nicht sehr groß ist, wirkt er offen, cool und einladend. Dank Grün- pflanzen und Bildern im Eingangsbereicht sowie gemütlicher Bestuhlung, Vorhängen mit Blockstreifen und aktuellen Zeitschriften können sich Patienten hier während der Wartezeit wohl fühlen. Außerdem entdeckt man Fotos von den Reisen des Ehepaars Keppler. Susanne verrät uns: „Mein Mann und ich lieben es, ungewöhnliche Ziele anzusteuern. Indien, Sri Lanka, Marokko, Kolumbien, Brasilien, Mexiko, aber auch Europa, wie zum Bei- spiel Spanien, Italien, Griechenland oder Frankreich, gehören dazu.“ Einen Aus- schnitt ihrer Erlebnisse möchten sie gerne mit den Patienten teilen. Im Sprechzimmer angekommen beweist Susanne, zum Ende unserer kleinen Füh- rung durch die Praxis, dass sie das Zepter als Raumgestalterin auch mal aus der Hand geben kann. „Diesen Schreibtisch aus Glas hat mein Mann selbst zusammengestellt. Da war ich raus!“, lacht die Einrichterin. Sie konnte sich mit seiner Vorstellung des Tisches einfach nicht anfreunden. „Aber er hat es gut gemacht!“, betont sie mit Blick auf den individuellen Arbeitsplatz aus Stahlrohr und Glas.
Als wir Hilmar Keppler bitten, seine ärztliche Laufbahn zu beschreiben, fällt er uns ins Wort. „Wollen Sie nicht lieber zuerst einmal wissen, wieso ich überhaupt Arzt geworden bin?“, fragt er verschmitzt. Wir bejahen natürlich und er beginnt sich zu erinnern: „Ich bin erst Ende 20 auf den Trichter gekommen, dass Medizin das Richtige für mich ist.“, gibt er zu. „Davor war ich sechs Jahre im Orient unterwegs, nachdem ich meine Karriere als Berufsoffizier verlassen hatte.“ Seine erste eigene Praxis hatte Hilmar Keppler dann Anfang der Neunziger in Schulensee. „33 Jahre war ich dort und hatte ein breites soziales Spektrum an verschiedenen Patienten. Denn nicht nur aus Schulensee, sondern auch aus Rammsee, Molfsee, Flintbek, Mielkendorf und Hammer seien Patienten zu ihm gekommen. Doch wie es die gesetzliche Rente so vorsieht, war es mit der Praxis zum 67. Geburtstag zu Ende. „Danach war ich Schiffsarzt auf der ‚Mein Schiff 2’ für 3 Monate und bin zwischen der Mittelmeerküste und den Kanaren hin und her gefahren.“, beschreibt der passionierte Mediziner die Zeit. Mit der Flüchtlingskrise 2014 und 2015 erlebte Hilmar Keppler eine für ihn persönlich sehr intensive und wichtige Phase seiner bewegten Rente. In Neumünster hatte er den medizinischen Dienst aufgebaut, um die Erstversorgung der Flüchtlinge zu organisieren. „Das war eine richtige Herzensaufgabe für ihn!“, bestätigt seine Ehefrau Susanne. „Ich war ja als junger Mann vor meinem Medizinstudium beruflich im Orient unter- wegs. Deswegen fiel es mir sehr leicht, zu den Patienten eine Verbindung aufzubau- en.“, erzählt Hilmar Keppler. Dadurch, dass er selbst in fremden Regionen manchmal brenzlige Situationen erleben musste, kann er gut nachempfinden, wie man trotz aller Widrigkeiten menschliche Nähe erfahren kann. „In Afghanistan wäre ich sogar beinahe zweimal ermordet worden.“, besinnt sich der Vielgereiste.
„Solche tiefen Erinnerungen an den Orient sind für mich eine große Brücke auf der Basis meines allgemeinmedizinischen Wissens zu Flüchtlingen gewesen.“
Bereichernd war die Behandlung der Flüchtlinge nicht nur auf persönlicher Ebene, sondern auch, weil Hilmar Keppler sein medizinisches Fachwissen weiterhin vertiefen konnte. „Ich habe viel gelernt im Umgang mit Tuberkulose, Impfdefiziten und insbesondere im Umgang mit psychisch traumatisierten Menschen auf der Flucht.“
Die Nähe zum Patienten sei auch einer der Hauptgründe gewesen, die ihn zur Eröffnung der neuen Privatpraxis bewegt haben. Nachdem er die letzten zwei Jahre für eine große Landarztpraxis in Kropp gearbeitet hat, ist er hier in Schulensee nun angekommen und kann am Ende seines Berufslebens die Medizin ausüben, die er machen möchte. Nicht mehr beschwert durch externe auferlegte Faktoren wie Kosten und Zeit. „Auch nach über 35 Jahren Berufserfahrung beginnt immer alles mit einem ausführlichen Gespräch.“, beschreibt Keppler den typischen Ablauf des ersten Termins. Und dieses könne, je nach Befund, schon mal länger dauern. „Ich nehme mir für jeden Patienten individuell Zeit, um auf die jeweiligen Bedürfnisse einzugehen.“
Wie selbstverständlich begegnet er den Patienten nicht nur mit mehr Zeit und seinem großen Erfahrungsschatz, sondern bietet auch Leistungen an, die in manch anderen Praxen bereits gestrichen wurden. „Die klassischen Hausbesuche werden zum Auslaufmodell.“, erkennt der Doktor. Und das treffe ausgerechnet die Patienten am härtesten, die diese Leistung am dringendsten brauchen: alte Menschen, die allein sind und eben alle, die nicht mobil sind. Deswegen sieht Hilmar Keppler gar nicht ein, die Hausbesuche in Zukunft irgendwann zu streichen. „Ich werde praktizieren, solange ich körperlich und geistig in der Lage dazu bin. Alles andere scheint mir unnatürlich.“ Sich gegen die Gunst des Schicksals zu stellen, einen unglaublichen Beruf zu haben und damit einfach aufzuhören sei krankmachend. „Es gibt viele Kollegen, die in der Rente in ein Loch fallen. Das passiert mir nicht.“, verspricht der leidenschaftliche Mediziner.
Dr. med. Hilmar Keppler Hamburger Chaussee 339 • 24113 Kiel Tel. 0431 – 65993861 ww.heilkunde-kiel.de
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