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Johanna Pede

Vom Renovieren der Lebenssäule



Einmal mehr erreichte uns folgende Kontaktaufnahme von einer interessierten Leserin:


„Sehr geehrtes JO. Redaktionsteam! -…eine förmliche Anfrage bedarf einer förmlichen Anrede, so hat man es in der Schule gelernt, dabei ist man als Norddeutscher doch genetisch dazu veranlagt einfach „Moin“ zu sagen, oder!?- Ihr seid kreativ in regionalen Themen. Euch interessieren die Gesichter der Region, ihr gebt euren Themen Tiefgang und Raum. Aber könntet ihr euch vorstellen, eurem Portrait des Nordens eine weitere Rubrik hinzuzufügen? Könntet ihr euch vorstellen, dem Raum mehr Raum zu verschaffen? Ich versuche es mal weiter auf den Punkt zu bringen. Mit Raum meine ich den Wohn- und Lebensraum. Als gelernte Raumausstatterin habe ich in meinem Berufsleben schon Zugang zu vielen Wohnräumen bekommen und festgestellt, wie aussagekräftig das Wohnen uns beschreibt. Das Portraitieren von Wohnräumen ist nicht nur besonders anschaulich und interessant – wer würde nicht gerne mal Einblick in die vier Wände anderer bekommen – es stellt auch den ganz persönlichen Ausdruck der Kreativität oder auch Funktionalität dar und wirkt inspirierend auf die eigene Raumgestaltung. Als leidenschaftliche Einrichtungsexpertin könnte ich mir nichts Schöneres vorstellen, als diese Faszination mit euch und euren Lesern zu teilen. […] Was ihr sonst noch so über mich wissen möchtet, findet ihr in meinem angefügten Lebenslauf und alles Weitere gerne, wenn ihr mögt, bei einem Kaffee persönlich. Und wenn ich schon nicht mit Moin angefangen habe, so gibt es jetzt ein Tschüss!


Eure Johanna Pede“


Mit dieser originellen Anfrage hat Johanna Pede uns neugierig gemacht. Homestories, Einblicke in den Wohnraum anderer zu geben, schlägt sie uns vor. Das haben wir allerdings nicht vorgesehen. Trotzdem möchten wir Johanna Pede in dieser Ausgabe von JO. Raum geben und ein Forum bieten, sich vorzustellen, ihre Geschichte zu erzählen und möglicherweise auf diesem Wege Menschen kennenzulernen, die gerne ihre Beratung und ihre Fähigkeiten in Anspruch nehmen möchten.


Schon als kleines Mädchen habe ich das Innere von Schuhkartons mit Tapeten beklebt und den Kartonboden mit Teppichresten ausgelegt. Da ist es durchaus nachvollziehbar, dass ich mich später im Erwachsenenalter für den Beruf der Raumausstatterin entschieden habe. Trotz Abitur und Zugang zu sämtlichen Hochschulmöglichkeiten, entschied ich mich für einen handwerklichen Beruf und für meine Leidenschaft am Gestalten. Nach Abschluss der Lehre fand ich mich, Jahre später, in der Wohnraumberatung und im Verkauf wieder. Doch als sich der Arbeitsfokus in dem großen Betrieb, in dem ich arbeitete, immer mehr auf Verwaltung anstatt auf die Gestaltung verlagerte und auch bei steigender Verantwortung die Entlohnung nicht angemessen war, geriet die erste Säule meines Lebens ins Wanken.


Bei der Berechnung der voraussichtlichen Rentenansprüche wurde klar, dass ich im Alter Sozialleistungen beziehen muss. Obwohl ich neben meinem Job als Mutter zweier Kinder, immer in Teilzeit gearbeitet hatte, sollte dies keine finanzielle Sicherung geben. Unterm Strich hieß das summa summarum: Identifikation mit dem Beruf, Anerkennung der Leistung und materielle Sicherheit – Fehlanzeige!


Und auch privat, war eine weitere Säule eingestürzt. Nach einer gescheiterten Ehe lebten die Kinder und ich in einer Wohnung am Existenzminimum. Mit Mitte dreißig fiel das Resümieren des ersten Lebensdrittels nicht besonders zufriedenstellend aus und versprach keine rosigen Zukunftsaussichten. Doch trotz des drohenden Einsturzes des Lebenshauses, fühlte ich mich lebendig und nicht eingeschüchtert von den Umwegen, die ich ging. Mir war klar, dass das nicht alles gewesen sein konnte. Und um die Säulen des Lebens zu renovieren, muss man eben in die Hände spucken und selbst anpacken.


Den Mann kennenzulernen, der heute an meiner Seite lebt, sollte wohl ein erster Wegweiser des Schicksals sein. Ich fühlte mich angekommen und zu Hause. Dies war nach der großen Krise der erste Schritt in die richtige Richtung.


Der nächste Schritt sollte die Zusammenlegung unserer beiden Kleinfamilien sein. Doch auch hier lief es nicht ganz ohne Komplikationen. Bei der Wohnungssuche wuchs der Bedarf auf vier Kinderzimmer. Sechsköpfige Patchworkfamilie sucht Haus oder Wohnung, bezahlbar, in Kiel oder ländlicher Umgebung. Das letzte Einhorn zu finden wäre wahrscheinlich einfacher gewesen. Nach frustrierendem Gesuche tat sich dann mit viel Vorstellungskraft eine Möglichkeit auf. Ein Haus auf dem Land, auf den ersten Blick nicht besonders schön angeboten. Wir ließen uns von Äußerlichkeiten nicht abschrecken und innerhalb von Tagen stand mein Gestaltungskonzept für die gesamte Immobilie. Mich in meinem Element wiederfindend, war ich zu Höchstleistung fähig.



Über die Dauer von einem Jahr renovierten wir in Eigenleistung sowohl zu vermietenden Wohnraum als auch unser zukünftiges Zuhause. Durch das Zusammenlegen zweier Wohnungen, schufen wir ausreichend Platz für unsere Bedürfnisse und die Freiräume, die wir unseren Kindern in dieser neuen Familiensituation ermöglichten wollten. Wir haben Wände eingerissen, Böden aufgestemmt und Containerweise alte Bausubstanz weggeschafft. Mit der Hilfe von Freunden und Familie sind wir an die körperliche und mentale Belastungsgrenze gegangen. Diese Strapazen haben sich gelohnt. Wir haben uns den Traum vom Zusammenleben erfüllt. Wir haben nicht nur etliche Quadratmeter Wohnraum, sondern auch eine essentielle Säule des Lebens, das Zuhause und den Grundstein des Familienlebens renoviert!


Tja, und was soll ich sagen, dieses Familienleben in neuer Konstellation funktioniert besser als erhofft. Die Komplikationen, die so eine Zusammenführung von zwei Teams mit sich bringen kann, blieben weitestgehend aus. Und die Kinder sind zu einer Einheit verwachsen, die uns Eltern nur staunen lässt. Langeweile kommt zu Hause nicht mehr auf, wir sind eben recht plötzlich eine Großfamilie geworden und sehr glücklich damit!


Doch dies sollten nicht die einzigen Veränderungen sein, die ich im Sinne der Lebensgestaltung vornehme. Ich fasse den Mut, mich auch beruflich neu zu orientieren und offen Ausschau zu halten, nach einer Möglichkeit meine Leidenschaft für das Gestalten von Wohnräumen auszuleben. Ich würde wahnsinnig gerne auch anderen beim Einrichten der eigenen vier Wände behilflich sein. Angefangen mit der Findung von Raum und Farbkonzept, über die Entscheidung für das richtige Mobiliar, bis hin zum Feinschliff, der Dekoration – Immer im Blick, die Funktionalität und die Berücksichtigung der persönlichen Note eines jeden Bewohners. Nicht immer geht es darum, alles zu verändern, auszutauschen oder neu zu kaufen. Oftmals müssen Raumsituationen nur neu arrangiert werden und Inventar richtig in Szene gesetzt werden. Das ist es, was ich kann und wobei ich anderen helfen möchte.


Vielleicht mag dem Einen oder Anderen beim Lesen dieser Zeilen der Gedanke kommen, dass mir all diese Schritte leicht gefallen sind. Dazu kann ich aber nur sagen, dass nichts so viel Angst macht, wie die Ungewissheit. Aber diese Ungewissheit nicht zu fürchten, sondern sie als Chance und Abenteuer zu sehen, bedarf schon ein wenig mentaler Selbstüberredungskunst. Außerdem sage ich mir, dass das eigentliche Scheitern, die Resignation in einer unglücklichen Lebenssituation ist. Aus Angst vor Fehltritten nichts zu tun, hat noch niemanden weiter vorangebracht. Und ist das Gehen neuer Wege, selbst wenn sich herausstellt, dass es nicht die Richtigen waren, nicht die beste Orientierung auf der Landkarte des Lebens? Jedenfalls kenne ich mich mittlerweile in meiner Umgebung ziemlich gut aus.


Meine Geschichte ist hierbei keinesfalls ein Einzelfall. Immer wieder entdecke ich, insbesondere bei Frauen mit Kindern, Parallelen. Und leider nehme ich auch oft wahr, dass gerade Frauen sich ihrer Situation ergeben und die Verwirklichung der eigenen Bedürfnisse nicht nur hintenanstellen, sondern sogar komplett ausblenden. Das muss nicht sein und birgt meiner Meinung nach auch Gefahren. Nicht ausleben zu können, wofür man brennt, das fühlt sich nicht nur ungesund an, sondern kann auf Dauer sogar krank machen. Konstantes Ignorieren der Bedürfnisse bringt eine andere Säule des Lebens, die der seelischen und körperlichen Gesundheit, ins Wanken.


Damit mir dies auf keinen Fall passiert, spucke ich in die Hände und setze alles daran, diese Säule aufzubauen. Ich suche nun also einen Job, bei dem ich meine Leidenschaft für Raumgestaltung ausleben kann und bin dabei durchaus offen für unterschiedliche Berufsfelder. Aber auch vor der Erledigung administrativer Aufgaben, scheue ich mich nicht. Eine familienfreundliche Zeiteinteilung und leistungsentsprechende Entlohnung sollten einhergehen. Dieser durchaus hohe Anspruch an den Beruf lässt noch einen ganz anderen Raum offen, nämlich den für Zweifel. Deshalb frage ich mich einmal mehr: Kann ich das schaffen? Und sage selbstsicher: JO. «


Johanna Pede • gewohne@gmx.de • Mob. 0151 – 8713532


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